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Nervensystem beruhigen: Soforthilfe und langfristige Regulation

  • Autorenbild: Larissa Kubon
    Larissa Kubon
  • vor 6 Tagen
  • 12 Min. Lesezeit

Ein überreiztes Nervensystem fühlt sich an, als würde man nie ganz abschalten können: Gedankenkarussell, Anspannung, innere Unruhe. Viele suchen die Gründe dafür dann in äußeren Stressfaktoren. Doch oft liegt die Lösung nicht im Außen, sondern in der Fähigkeit, das Nervensystem zu regulieren. Dieser Artikel zeigt dir, wie du dein Nervensystem effektiv beruhigen kannst – mit schnellen Sofort-Strategien und langfristigen Anpassungen.


Fix erklärt


  • Das vegetative Nervensystem steuert mit Sympathikus und Parasympathikus deine Stress‑ und Erholungsreaktion.

  • Ist der Sympathikus dauerhaft überaktiv, kann das zu Symptomen wie innerer Unruhe, Reizbarkeit oder Schlafproblemen führen. 

  • Nervensystem-Regulation zielt darauf ab, Sympathikus und Parasympathikus wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

  • Akute Maßnahmen wie Atemtechniken oder Vagusnerv‑Stimulation wirken oft schon in wenigen Minuten.

  • Langfristig zählen Regelmäßigkeit und ein nervensystemfreundlicher Alltag mit ausreichend Pausen, Bewegung und erholsamem Schlaf.


Inhaltsverzeichnis




Was passiert, wenn das Nervensystem aus dem Gleichgewicht gerät?


Das vegetative Nervensystem steuert über Sympathikus und Parasympathikus deine Stressantwort. Gerät es aus dem Gleichgewicht, kann das zu körperlichen und psychischen Beschwerden führen.


Das vegetative Nervensystem (auch autonomes Nervensystem) ist ein komplexes Steuerungssystem in deinem Körper. Es beeinflusst lebenswichtige Prozesse wie Herzschlag, Atmung, Verdauung oder Hormonproduktion, aber auch wie wir uns fühlen und wie wir denken. Vor allem steuert es unsere Stressantwort. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Gegenspieler:


  • Sympathikus: aktiviert den Körper für Herausforderungen

  • Parasympathikus: sorgt für Entspannung, Regeneration und Heilung


Ein gesundes Nervensystem passt das Verhältnis zwischen Sympathikus- und Parasympathikus-Aktivität je nach Situation flexibel an – mal dominiert der eine, mal der andere, wie in einer gut ausbalancierten Wippe. Evolutionär hat das gut funktioniert: Auf kurze Situationen akuter Gefahr folgten nach erfolgreicher Flucht oder gewonnenem Kampf meist lange Phasen der Ruhe. Dafür ist unser System gemacht. 


Doch unsere moderne Lebensrealität folgt einem ganz anderen Tempo: Unzählige Verpflichtungen, ständige Erreichbarkeit, digitale Reizüberflutung halten uns dauerhaft aktiviert. Chronischer Stress lässt der inneren Wippe kaum noch Raum, in die Balance zurückzufinden. Kippt sie dauerhaft, spricht man von einem dysregulierten Nervensystem. Dann läuft das System ständig in Alarmbereitschaft, auch wenn objektiv keine Gefahr besteht.


Typische Anzeichen dafür sind:


  • Anspannung, Muskelverspannungen

  • Innere Unruhe, Gedankenkreisen

  • Reizbarkeit, emotionale Dünnhäutigkeit

  • Schlafprobleme, Verdauungsprobleme


Die Ursachen für ein dysreguliertes Nervensystem sind oft vielschichtig: Neben Stress im Beruflichen oder Privaten können auch unverarbeitete Traumata, gesundheitliche Probleme, ein ungünstiger Lebensstil oder sensorische Überreizung wie Dauerstressoren wirken, die das System über Wochen, Monate oder Jahre aus der Balance bringen.


Wenn du mehr über das Thema erfahren möchtest, schau dir auch diesen Blogartikel an:




Was hilft sofort, um das Nervensystem zu beruhigen?


Techniken wie bewusste Atmung, Vagusnerv-Stimulation, Achtsamkeit oder Entspannungsverfahren können dein Nervensystem schon in wenigen Minuten spürbar beruhigen.


Akute Techniken zur Beruhigung des Nervensystems zielen darauf ab, den Parasympathikus zu aktivieren – also den Teil deines vegetativen Nervensystems, der für Entspannung, Regeneration und Sicherheit zuständig ist. Dabei geht es nicht nur darum, "einfach mal zu entspannen", sondern dem System gezielt das Signal zu geben: Ich bin sicher, ich darf loslassen.


Viele dieser Methoden wirken schneller, als man denkt. Besonders bei Menschen, deren Nervensystem stark in Anspannung ist, zeigt sich oft schon nach 1-2 Minuten ein erster Effekt: eine tiefere Atmung, ein ruhigerer Herzschlag, mehr innere Ruhe. 


Entscheidend ist, Strategien zu finden, die zu dir und deinem Alltag passen. Und dann: bewusst anwenden und regelmäßig wiederholen.  


Im Folgenden findest du wissenschaftlich fundierte, alltagstaugliche Techniken, mit denen du dein Nervensystem sofort beruhigen kannst. Betrachte diese Übersicht als Ideenanregung und schau, was du für dich gerne ausprobieren und in deinen Alltag übernehmen möchtest. 



Vagusnerv stimulieren


Der Vagusnerv ist der längste und wichtigste Nerv des parasympathischen Systems. Er verläuft vom Gehirn über Hals und Brust durch das Zwerchfell bis in den Bauchraum. Dadurch ist er an zahlreichen Körperfunktionen beteiligt wie Atmung, Herzfrequenz oder Verdauung – aber auch an deiner Fähigkeit, dich sicher und ruhig zu fühlen. Wird der Vagusnerv aktiviert, schaltet der Körper vom „Kampf-oder-Flucht-Modus“ in den „Entspannungsmodus“. Deshalb ist der Vagus ein zentraler Schlüssel zur inneren Regulation.


Vagusstimulation bedeutet, gezielt Reize zu setzen, die den Nerv ansprechen und damit den Parasympathikus aktivieren.


So kannst du deinen Vagusnerv zu stimulieren:


  • Zwerchfellatmung: Atme tief in den Bauch ein und langsam wieder aus. Langsame, tiefe Atemzüge in den Bauch bringen das Zwerchfell zum Schwingen und stimulieren damit mechanisch den Vagusnerv.

  • Summen oder sanftes Singen: Vibrationen im Bereich des Kehlkopfs aktivieren den Vagusnerv im Halsbereich.

  • Rhythmische Bewegung: Langsame, gleichmäßige Bewegungen wie schaukeln, wiegen, oder wippen wirken beruhigend.

  • Kurze Kälteimpulse: Ein kalter Waschlappen im Gesicht oder ein kurzer Spritzer kaltes Wasser auf Stirn und Wangen kann über den sogenannten Tauchreflex vagale Reaktionen auslösen.


Bei diesen Methoden liegt der Effekt vor allem in der Wiederholung: Viel wichtiger als die Dauer ist, dass du die Techniken regelmäßig anwendest, um deinem Nervensystem immer wieder Ruheimpulse zu geben.



Mit Atmung den Parasympathikus aktivieren


Atmen ist eine der direktesten Möglichkeiten, dein Nervensystem zu beeinflussen – denn von allen Körperfunktionen, die dein vegetatives Nervensystem steuert, kannst du nur die Atmung bewusst kontrollieren. Dabei spielt vor allem die Ausatmung spielt dabei eine wichtige Rolle, denn sie aktiviert den Parasympathikus und damit den „Entspannungsmodus“. Entscheidend ist, nicht in die Brust, sondern bewusst und tief in den Bauch zu atmen, um das Zwerchfell zu aktivieren. Gerne kannst du eine Hand auf deinen Bauch legen und deinen Atem gezielt in deine Hand schicken. Meist ist schon nach kurzer Zeit ein beruhigender Effekt spürbar.  


Zwei besonders bewährte Atemtechniken sind:


4-7-8-Atmung: 

4 Sekunden lang einatmen – 7 Sekunden lang den Atem halten – 8 Sekunden langsam ausatmen. Wiederhole den Zyklus einige Male, bis du einen beruhigenden Effekt spürst. 


Box Breathing (4-4-4-4):

4 Sekunden lang einatmen – 4 Sekunden lang Atem eingeatmet anhalten – 4 Sekunden ausatmen – 4 Sekunden Atem ausgeatmet anhalten. Wiederholen.


Ob du die 4-7-8-Technik, Box Breathing oder einfach die bewusste Bauchatmung nutzt: Idealerweise praktizierst du die beruhigende Atmung mehrmals täglich für ein bis zwei Minuten.



Achtsamkeit


Achtsamkeit hilft, das Nervensystem auf sanfte Weise zu beruhigen, indem sie den Fokus ins Hier und Jetzt bringt. In einem Zustand permanenter Anspannung kreisen die Gedanken oft um Vergangenes oder wir machen uns Sorgen um Dinge, die in der Zukunft passieren könnten. Vielleicht hetzen wir im Autopilot durch unseren Alltag und nehmen uns dabei selbst gar nicht mehr richtig wahr. Achtsamkeit holt dich ins Hier und Jetzt zurück – für dein Nervensystem ein klares Signal: Ich bin gerade nicht in Gefahr.


Schon kurze Momente bewusster Achtsamkeit reichen aus, um diesen Effekt zu erzeugen. Entscheidend ist nicht, dass du stundenlang meditierst, sondern dass du in deinem Alltag immer wieder kurz innehältst.


So kann Achtsamkeit in deinem Alltag aussehen:


  • Kurzer Check-in: Nimm dir eine ungestörte Minute, schließe deine Augen, spüre deine Füße auf dem Boden, nimm deinen Körper wahr – nur wahrnehmen, nicht bewerten.

  • Lauschen statt denken: Nimm für einen Moment ganz bewusst alle Geräusche in deiner Umgebung wahr, gerne auch mit geschlossenen Augen.

  • Alltagsgewohnheiten achtsam tun: Suche dir eine kleine Aktivität aus, die du jeden Tag tust – z.B. frühstücken, dein Gesicht eincremen, aufräumen – und tue diese heute ganz bewusst und ohne Ablenkung. Konzentriere dich dabei auf deine Sinneswahrnehmungen.  


Kleine Momente der Achtsamkeit kosten nicht viel Zeit und funktionieren als Mikropause am Schreibtisch, auf dem Weg zum Einkaufen oder beim Zähneputzen.



Beruhigende Sinnesreize


Wenn das Nervensystem überreizt ist, kann es helfen, für eine Weile den Input zu reduzieren. Lass das Smartphone liegen und nimm dir einen Moment nur für dich – ohne Hörbuch oder Podcast nebenbei. Schaffe dir stattdessen gezielt Sinneseindrücke, die dein System herunterfahren lassen.


Beruhigende Sinnesreize wie entspannende Klänge, das warme Wasser in der Badewanne oder der vertraute Duft deiner Lieblingscreme vermitteln deinem Körper Sicherheit. Auch sanfte Berührungen oder das Kuscheln mit dem Haustier wirken nachweislich beruhigend auf das vegetative Nervensystem.


Finde heraus, was dir gut tut, denn nicht jeder Reiz wirkt bei jedem gleich. Schau deshalb, auf welchen Sinneskanälen du besonders empfänglich bist und welche Reize in dir ein Gefühl von Wohlbefinden und Geborgenheit auslösen. 



Entspannungstechniken


Entspannungsverfahren sind ein bewährter Weg, um das Nervensystem herunterzufahren. Sie wirken nicht nur auf mentaler Ebene, sondern können direkt den Parasympathikus aktivieren – also den Teil deines Nervensystems, der für Ruhe und Regeneration zuständig ist.


Techniken wie Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training, Meditation oder sanftes Yoga können helfen, um Anspannung zu reduzieren und einen Zustand tiefer innerer Ruhe zu erreichen. Entscheidend ist nicht, welche Methode du wählst, sondern dass sie sich für dich gut anfühlt. 


Wichtig zu wissen: Viele erleben beim ersten Versuch eher Unruhe statt Entspannung – das ist normal. Wenn dein Nervensystem im Alarmmodus ist, braucht es oft etwas Zeit, bis es die Ruhe zulassen kann. Mit Geduld und Übung wirst du immer schneller in die Entspannung finden. 



Waldbaden


Ein Spaziergang im Wald wirkt oft wie ein Reset für das Nervensystem. Die Kombination aus natürlichen Sinneseindrücken, frischer Luft und gleichmäßiger Bewegung aktiviert den Parasympathikus und bringt Körper und Geist spürbar zur Ruhe.


Noch effektiver wirkt „Waldbaden“ (japanisch: Shinrin Yoku). Das bedeutet, mit allen Sinnen achtsam in die Natur einzutauchen – den Boden unter den Füßen spüren, dem Rascheln der Blätter lauschen, den Duft des Waldes wahrzunehmen, sich ganz genau umsehen. Studien zeigen: Schon 20 Minuten im Grünen können die Stresshormone senken, den Puls verlangsamen und die Herzratenvariabilität (HRV) verbessern.


Besonders wirksam wird der Aufenthalt im Wald, wenn du dabei bewusst auf ein ruhiges Schritttempo achtest und den Moment mit allen Sinnen erlebst – ohne Ziel und ohne Eile.





Was hilft langfristig, um das Nervensystem zu beruhigen?


Techniken zur Entspannung helfen akut. Aber um dein Nervensystem nachhaltig zu regulieren, braucht es regelmäßige Impulse und Anpassungen in deinem Alltag.


Wenn das Nervensystem dauerhaft in Alarmbereitschaft ist, reichen kurze Pausen allein meist nicht mehr aus. Was langfristig hilft, ist ein nervensystemfreundlicher Alltag mit ausreichend Erholung, bewusster Selbstfürsorge und möglichst wenig Dauerstress.


Statt auf schnelle Lösungen zu setzen, geht es darum, dein System insgesamt zu entlasten – indem du die Rahmenbedingungen so gestaltest, dass dein Körper nicht ständig auf Alarm schalten muss.


In den folgenden Abschnitten findest du Impulse, wie du über Lebensstil, Selbstfürsorge und achtsame Entscheidungen langfristig zu mehr innerer Ruhe finden kannst.



Kenne deine inneren und äußeren Stressauslöser


Nachhaltige Regulation beginnt mit einem Bewusstsein für deine individuellen Stresstrigger. Denn nur wenn du weißt, was dein Nervensystem regelmäßig unter Druck setzt, kannst du gezielt gegensteuern.


Im Außen kann das alles sein, was dich immer wieder überfordert oder überlastet – Termindruck, ein hoher Mental Load, Konflikte, Lärm oder einfach zu viel Input. Es lohnt sich, ehrlich hinzuschauen: Was belastet dich? Und wo hast du vielleicht doch mehr Gestaltungsspielraum, als es auf den ersten Blick scheint?


Genauso wichtig sind aber auch die inneren Stressverstärker – also ungünstige Glaubenssätze oder innere Antreiber, die dir den Alltag zusätzlich erschweren. Dazu gehören zum Beispiel Perfektionismus, ein starker innerer Kritiker, ein hohes Bedürfnis nach Kontrolle oder der Anspruch, immer funktionieren zu müssen. 


Diese inneren Muster tragen wir oft schon lange in uns und deshalb sind sie manchmal gar nicht so leicht aufzuspüren. Aber sie haben eine direkte Wirkung auf dein Nervensystem: Wenn du beispielsweise von dir erwartest, es immer allen recht zu machen, gehst du oft über deine eigenen Grenzen – und das macht Stress.


Und nicht zuletzt können auch körperliche Belastungen dein System stressen – oft, ohne dass dir das direkt bewusst ist. Dazu zählen zu wenig Schlaf und ein Mangel an Nährstoffen durch eine unausgewogene Ernährung. Aber auch hohe Blutzuckerschwankungen oder eine ständige Immunaktivität wie bei Autoimmunerkrankungen, häufigen Infekten oder chronisch stillen Entzündungen können das Nervensystem dauerhaft aktivieren.


Die gute Nachricht: Viele dieser Stressauslöser sind veränderbar. Der erste Schritt zur Veränderung ist, sie überhaupt wahrzunehmen. Erst, wenn du dir dessen bewusst bist, kannst du schauen, an welchen Punkten du Stück für Stück ansetzen kannst, um dein Nervensystem langfristig zu entlasten. Du musst dabei nicht alles perfekt machen – schon kleine Veränderungen in deinem Alltag können einen großen Unterschied machen.



Finde heraus, was dir guttut


Es gibt nicht den einen richtigen Weg, das Nervensystem zu beruhigen. Was wirklich hilft, ist oft ganz individuell – und hängt davon ab, was in dir das Gefühl von Sicherheit, Freude oder Entspannung auslöst.


Vielleicht sind es die Techniken, die du in den vorherigen Abschnitten kennengelernt hast. Vielleicht aber auch ganz andere Dinge: Malen, Musizieren, mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren statt mit der Bahn, ein gutes Buch, ein schöner Abend mit Freund:innen. Alles, was dich „bei dir ankommen“ lässt und dir positive Gefühle macht, kann dein vegetatives Nervensystem beruhigen.


Wichtig ist, dass du dir regelmäßig Raum für solche Momente schaffst. Denn das System lernt durch Wiederholung: Wenn du ihm immer wieder zeigst, dass du sicher bist, wird es mit der Zeit schneller aus der Anspannung herausfinden.


Beobachte auch, welche Aktivitäten dir wirklich gut tun – und womit du nur aus Gewohnheit deine Zeit verbringst.


Besonders wertvoll ist echte soziale Interaktion – nicht digital, sondern ganz anfassbar. Nähe, Vertrauen, gemeinsames Lachen und das Gefühl, gesehen zu werden, wirken stark regulierend auf das Nervensystem. Nicht umsonst zählt soziale Verbundenheit zu den stärksten Schutzfaktoren für mentale Gesundheit.


Erlaube dir, dir Gutes zu tun – auch wenn es nicht „produktiv“ ist. Denn Selbstfürsorge ist kein netter Bonus. Sie ist der notwendige Unterschied zwischen bloßem Funktionieren und einem Leben, das sich wirklich nach dir anfühlt.



Mach’ bewusste Pausen zur Routine


Ein überaktives Nervensystem braucht nicht nur ab und zu eine Auszeit – es braucht regelmäßige Signale der Entlastung. Sorge deshalb immer wieder konsequent für kleine Pausen in deinem Alltag: kurze Unterbrechungen, in denen du die Reizflut reduzierst und deinem System erlaubst zu entschleunigen.


Diese Pausen müssen nicht lang sein. Schon eine Minute kann ausreichen, wenn du sie bewusst gestaltest. Zum Beispiel indem du tief durchatmest, einen Moment in Stille verbringst, die Augen schließt oder kurz spürst, wie sich dein Körper gerade anfühlt. Solche Mikropausen lassen sich auch in durchgetaktete Tage integrieren: morgens nach dem Aufwachen, zwischen zwei Terminen, an der roten Ampel oder beim Kochen.


Und gerade in Momenten, in denen es sich so anfühlt, als hättest du keine Zeit für eine Pause, ist sie umso wichtiger. Denn dann arbeitet dein Stresssystem auf Hochtouren und profitiert am meisten von einem kurzen „Reset“.


Wenn du dir über den Tag verteilt immer wieder kleine Anker schaffst, lernt dein Nervensystem mit der Zeit: Ich bin sicher. Ich muss nicht ständig wachsam sein.



Nimm das Tempo raus


In unserer modernen Lebensrealität läuft unser Alltag oft auf Hochgeschwindigkeit. Doch auf dieses Tempo ist unser Nervensystem evolutionär nicht angepasst. Ständiges Multitasking, endlose Reize und ein durchgetakteter Tag halten Körper und Geist in Anspannung. 


Entschleunigung kann heißen, bewusstere Entscheidungen zu treffen: Muss ich beim Essen wirklich gleichzeitig die E-Mails checken? Will ich beim Spaziergang einen Podcast hören oder möchte ich einfach mal nur gehen und meine Umgebung wahrnehmen?


Unser Nervensystem liebt Monotasking – also mit der vollen Aufmerksamkeit nur eine Sache nach der anderen zu tun. Denn wenn du dich ganz auf das konzentrierst, was du gerade tust, wird dein System nicht ständig zwischen unterschiedlichen Reizen hin- und hergerissen. Achtsam im Hier und Jetzt zu sein signalisiert dem Nervensystem Sicherheit und Ruhe.


Überlege also mal, an welchen Stellen du in deinem Alltag etwas Tempo rausnehmen und Input reduzieren kannst. Es geht nicht darum, dogmatisch jedes Multitasking oder Scrollen auf Social Media zu meiden – sondern darum, dir bewusster zu machen, wie viele Reize du deinem System täglich zumuten möchtest.


„Tempo rausnehmen“ kannst du übrigens auch wörtlich nehmen, denn auch dein Bewegungstempo kann zur Regulation beitragen. Viele Menschen mit einem angespannten Nervensystem rasen buchstäblich durch ihren Alltag. Stattdessen kannst du also mal ausprobieren, wie es sich anfühlt, etwas langsamer zu gehen, die Schultern sinken zu lassen und deinen Kiefer zu entspannen. 



Bewege dich regelmäßig


Wenn das Nervensystem auf Hochtouren läuft, ist meist der Sympathikus überaktiv: der Teil, den Körper auf „Kampf oder Flucht“ vorbereitet. Das Herz schlägt schneller, die Muskeln sind angespannt, Energiereserven werden bereitgestellt – alles, um dich auf intensive Bewegung vorzubereiten. Doch in unserem Alltag kommt diese Bewegung oft nicht. Stattdessen bleiben wir am Schreibtisch sitzen, während der Körper weiter unter Strom steht.


Regelmäßige Bewegung ist deshalb ein wichtiger Schlüssel, um die aktivierte Stressreaktion „abzuschließen“ und dem System zu helfen, wieder zur Ruhe zu kommen. Dabei muss es nicht gleich ein intensives Workout sein, auch Alltagsbewegung macht einen Unterschied.


Auch akut kann Bewegung ein wirksames Ventil sein. Wenn du zum Beispiel nach einem anstrengenden Gespräch merkst, dass du dich angespannt fühlst, kannst du deinen Körper einmal kräftig ausschütteln oder ein paar Hampelmänner machen. Solche kleinen Impulse zur „Entladung“ helfen, den Stress im Körper zu lösen, bevor er sich festsetzt.



Priorisiere deinen Schlaf


Erholsamer Schlaf ist eine der wichtigsten Ressourcen für ein reguliertes Nervensystem. Während der Nacht finden zentrale körperliche und mentale Regenerationsprozesse statt. Reize werden verarbeitet, Stresshormone sinken, das System darf sich erholen. Auf der anderen Seite bedeutet Schlafmangel für den Körper Stress und aktiviert damit das sympathische Nervensystem. 


So langweilig es auch klingt: Deinen Schlaf zu priorisieren ist Selbstfürsorge! Wer ausreichend und gut schläft, unterstützt sein Nervensystem darin, tagsüber besser mit Herausforderungen, Reizen und Emotionen umzugehen. 



Stärke deinen Körper über Ernährung und Mikronährstoffe


Dein Nervensystem braucht die richtigen Bausteine, um gut funktionieren zu können. Insbesondere B-Vitamine und Magnesium spielen eine zentrale Rolle in der Signalweiterleitung zwischen den Nervenzellen und sollten demnach in ausreichender Menge vorhanden sein. Eine ausgewogene, nährstoffreiche Ernährung ist deshalb ein wichtiger Grundstein für Stressregulation und innere Stabilität.


Zusätzlich empfiehlt es sich, die Ernährung antientzündlich zu gestalten. Denn stille Entzündungen im Körper stressen das System und halten das Nervensystem dauerhaft in Alarmbereitschaft. Achte daher auf möglichst unverarbeitete Lebensmittel, eine bunte Pflanzenvielfalt („eat the rainbow“) und reichlich Omega-3-Fettsäuren aus Fisch und Algen.


Auch dein Blutzuckerspiegel kann Einfluss auf dein Stresssystem haben. Starke Schwankungen – etwa durch zuckerreiche Snacks – signalisieren dem Körper Stress. Eine eiweißreiche Ernährung kann dir helfen, deinen Blutzuckerspiegel stabil zu halten. Durch ein ausgewogenes Frühstück mit ausreichend Proteinen kannst du für eine stabile Basis sorgen.



Überprüfe deinen Kaffeekonsum


Kaffee ist ein natürlicher Wachmacher und wirkt direkt auf das Stresssystem. Das enthaltene Koffein fördert die Ausschüttung von Adrenalin und aktiviert damit den Sympathikus. Für deinen Körper bedeutet das: Alarmbereitschaft. Wer ohnehin ein überreiztes Nervensystem hat, verstärkt durch zu viel Koffein oft ungewollt das Problem.


Deshalb lohnt es sich, deinen Konsum mal bewusst unter die Lupe zu nehmen: Wie viel Koffein nimmst du täglich zu dir? Und wie wirkt es sich auf deinen Stresspegel aus? Auch ein testweises Weglassen kann aufschlussreich sein, um zu beobachten, wie sich dein Nervensystem ohne Koffein anfühlt.


Aber: Nicht jeder reagiert gleich. Je nach genetischer Veranlagung wird Koffein unterschiedlich schnell verstoffwechselt. Besonders sensible Menschen profitieren oft davon, den Konsum zu reduzieren oder zeitlich stärker auf den Vormittag zu begrenzen. 


Auch hier geht es nicht um dogmatischen Verzicht, sondern um einen bewussten Umgang.




Fazit


Ein überreiztes Nervensystem ist kein Dauerzustand, den du einfach hinnehmen musst. Mit dem richtigen Wissen und gezielten Impulsen kannst du ihm helfen, sich zu regulieren und wieder ins Gleichgewicht zu finden. Die Kombination aus regelmäßigen, kurzen Entspannungsimpulsen und bewussten Entscheidungen zur Selbstfürsorge im Alltag tragen dazu bei, das System nachhaltig zu entlasten. 


Dabei zählt jeder Schritt in Richtung Ruhe und Entschleunigung. Ausschlaggebend ist die Kontinuität, nicht die Perfektion. Und vor allem: Du darfst gut für dich sorgen – nicht erst, wenn gar nichts mehr geht, sondern genau jetzt.



Larissa Kubon, Psychologin (M.Sc.) & Therapeutin für Klinische Psychoneuroimmunologie:

Meine Mission ist es, Menschen mit psychischen Belastungen zu zeigen, wie sie ihre mentale Gesundheit selbst in die Hand nehmen können. Deshalb verbinde ich Psychologie mit Körperwissen, um sichtbar zu machen, wie Körper, Geist und Lebensstil zusammenspielen – und ganzheitliche Wege zu einer stabilen Psyche zu zeigen.




 
 
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